Skulptur einer nackten liegenden Frau
© SKD, Foto: Hans-Peter Klut

Schatten der Zeit. Giambologna, Michelangelo und die Medici-Kapelle

Zwischen 1524 und 1534 schuf Michelangelo mit der Ausstattung der Medici-Kapelle in Florenz einen unübertroffenen Höhepunkt der Renaissanceskulptur. Besonders seine monumentalen Personifikationen der Tageszeiten, die paarweise - Morgen und Abend sowie Tag und Nacht darstellend - auf den Sarkophagen von Giuliano und Lorenzo de' Medici lagern, waren wegen ihrer beinahe schockierenden Nacktheit und kühnen Posen von immenser Vorbildwirkung für Generationen von Künstlern.

  • Laufzeit 23.06.2018—07.10.2018

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Innerhalb der zahlreichen Nachbildungen von Michelangelos Tageszeiten nehmen die vier kleinformatigen Statuetten, die sich im Besitz der Dresdner Skulpturensammlung befinden, eine herausragende Stellung ein. Den kurfürstlichen Kunstkammerinventaren von 1587 und 1640 zufolge schenkte bereits um 1560/70 der toskanischen Großherzog Cosimo I. de´ Medici diese Figuren an Kurfürst August von Sachsen. Die Ausstellung "Im Schatten der Zeit. Giambologna, Michelangelo und die Medici-Kapelle" stellt diese Meisterwerke nun ins Zentrum der Betrachtung und zeigt wie bei einer kriminalistischen Spurensuche, warum diese Statuetten Frühwerke des großenflämischen Bildhauers Jean de Boulogne, (1529-1608), genannt Giambologna sein dürften.

Massimo Listri, Grabmal des Giuliano de’ Medici, Florenz, San Lorenzo
© Foto: Massimo Listri
Massimo Listri, Grabmal des Giuliano de’ Medici, Florenz, San Lorenzo

Video

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Schatten der Zeit. Giambologna, Michelangelo und die Medici-Kapelle
Schatten der Zeit. Giambologna, Michelangelo und die Medici-Kapelle

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In dieser Annahme, dass die Statuetten Frühwerke Giambolognas sind, der als der wichtigste Bildhauer Europas zwischen Michelangelo und Bernini betrachtet werden kann, begab sich die Kuratorin auf eine intensive Spurensuche nach der Autorenschaft, die bislang ungeklärt war. Dabei zeichnet die Ausstellung ein faszinierendes Bild vom kulturellen Austausch zwischen Florenz und Dresden um die Mitte des 16. Jahrhunderts. Ein weiteres Schlaglicht wird auf die heutige Arbeit von Wissenschaftler*innen am Museum gesetzt, deren Forschung solche Zuschreibungen schlussendlich erst ermöglichen.

Impressionen

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Der aus Flandern stammende Jean de Boulogne reiste um 1550, nach Beendigung seiner Ausbildung in der Heimat, nach Rom, um dort die Werke der Antike zu studieren. Seine Rückreise führte ihn nach Florenz, wo er für immer bleiben sollte und nach einiger Zeit künstlerische Triumphe am Hof der Medici feierte. Die Dresdner Tageszeiten schuf der junge Giambologna wahrscheinlich um 1555/58, also bevor seine Karriere in Florenz ab 1561 so richtig begann.

Um 1560/70 wurden die Statuetten von Cosimo I. de´ Medici als Geschenk an Kurfürst August gesandt - weshalb? Geht man dieser und anderen spannenden Fragen nach (etwa: warum sind die Statuetten aus Alabaster?), so entsteht ein faszinierendes Bild von Kunst und Politik um die Mitte des 16. Jahrhunderts in Florenz und Dresden.

Bronzefigur einer nackten schlafenden Frau und einem Mischwesen aus Mensch und Tier
© SKD, Foto: Arrigo Coppitz
Giambologna, Adriaen de Vries und Mitarbeiter, Schlafende Venus und Satyr Florenz, vor 1587 Bronze, 21 x 34 x 17,7 cm, Grünes Gewölbe

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Ein "Hauptzeuge" bei der Frage nach dem Autor der "Dresdner Tageszeiten" ist ein Relief mit einer Allegorie auf Francesco de' Medici, eine Leihgabe aus dem Prado zu Madrid. Es handelt sich dabei um die bislang einzige bekannte Skulptur aus Alabaster, die im gesamten 16. Jahrhundert in Florenz geschaffen wurde - von niemand anderem, als dem jungen Giambologna! Giambologna war jedoch nicht der einzige Künstler, der sich mit Michelangelos Tageszeiten auseinandersetzte. In der Medici-Kapelle wurden diese von allen Seiten gezeichnet, und plastische Nachbildungen aus Ton, Gips und Wachs waren begehrte Studienobjekte für Bildhauer und Maler.

Giambologna, Allegorie auf Francesco de’ Medici, um 1560/61
© Museo Nacional del Prado, Madrid
Giambologna, Allegorie auf Francesco de’ Medici, um 1560/61 Alabaster, 31 x 45,8 x 5 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid

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Eine Gruppe solcher Tonmodelle nach Michelangelo wurde um 1560 vom niederländischen Bildhauer Johan Gregor van der Schardt geschaffen. Der bekannte Nürnberger Sammler Paulus Praun erwarb sie aus dem Nachlass des Künstlers, woraufhin sie für über 200 Jahre im Besitz seiner Familie blieben. Im 19. Jahrhundert kaufte der Dresdner Bildhauer Ernst Julius Hähnel diese Modelle, die nun als Originale von Michelangelos eigener Hand galten. Hähnels Sammlung wurde weltberühmt und hat eine bis in die unmittelbare Gegenwart reichende, abenteuerliche Geschichte. Hähnel, der die lebensgroße Michelangelo-Statue für die Fassade des Semperbaus schuf, wurde stark von ihnen inspiriert. So reicht der große Schatten, den Michelangelos Werk über die Jahrhunderte wirft, bis nach Dresden.

Ernst Julius Hähnel (Dresden 1811 – 1891 Dresden), Allegorie auf Michelangelo (Michelangelo und die Göttin der Nacht)
© SKD, Foto: Estel/Klut
Ernst Julius Hähnel (Dresden 1811 – 1891 Dresden), Allegorie auf Michelangelo (Michelangelo und die Göttin der Nacht) Gips, 68,5 cm x 97,5 cm x 10 cm, Skulpturensammlung

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Die Ausstellung im Semperbau vereint rund 70 Exponate, darunter kostbare Leihgaben aus dem Prado in Madrid, dem Rijksmuseum in Amsterdam, der Fondation Custodia / Collection Frits Lugt in Paris und aus bedeutenden internationalen Privatsammlungen. Darüber hinaus bereichern Objekte aus der Galerie Neue Meister, der Gemäldegalerie Alte Meister, dem Grünen Gewölbe, der Kunstbibliothek, dem Kupferstich-Kabinett und dem Münzkabinett der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden die Präsentation.

Zeichnung einer nackten liegenden Frau
© Fondation Custodia / Collection Frits Lugt, Paris
Peter Paul Rubens nach Michelangelo, Die Nacht, 1600–1603 und 1610–1620 Schwarze Kreide, Feder in Braun, braune Pinsellavierung, weiße und beige Gouache auf Papier, 36 × 49,5 cm, Fondation Custodia /Collection Frits Lugt, Paris

Katalog

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Sprache im Hirmer Verlag, der Giambolognas weitgehend unbekanntes Frühwerk und seine Auseinandersetzung mit Michelangelo anschaulich und reich bebildert vorstellt. Herausgeber: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, mit Beiträgen von Claudia Kryza-Gersch, Raphael Rosenberg, Aleksandra Lipińska, Frits Scholten, Marion Heisterberg, 264 Seiten, ca. 180 Abbildungen in Farbe, Buchhandel: 39,90 €. ISBN: 978-3-7774-3146-8.

Begleitprogramm

Begleitprogramm zur Ausstellung

Programmflyer

Entdeckerheft

Peter Paul Rubens, Leda mit dem Schwan nach Michelangelo, um 1598–1600
© SKD, Foto: Estel/Klut
Peter Paul Rubens, Leda mit dem Schwan nach Michelangelo, um 1598–1600 Öl auf Eichenholz, 122 x 182 cm, Gemäldegalerie Alte Meister

Medienpartner

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